Samstag, 24. Januar 2009
 
Willkommen in der Vergangenheit PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Bernhard Redl   
Sonntag, 1. Oktober 2006

Die ÖVP ist abgestürzt, die SPÖ hat nicht gewonnen, sondern ist einfach übriggeblieben. Die Nationalisten sind gestärkt. Die Aussicht: Eine große Koalition.
Ein erster Kommentar zum vorläufigen Endergebnis.

Die ÖVP hatte in diesem Wahlkampf eine Wunderwaffe: Die BAWAG. Diese schwere Artillerie zündete - und ging nach hinten los. Die ÖVP beschwerte sich ständig über das angebliche "Dirty Campaigning" der ÖVP und erklärte bei jeder Gelegenheit, den Bankenskandal nicht als Wahlkampfthema auszuschlachten - und hatte prompt als Hauptgesprächsthemen nur BAWAG, BAWAG und ganz besonders BAWAG. Während diese Taktik beim BZÖ aufging, vergrämte es wohl die traditionellen Staatspartei-Wechselwähler.

Dazu kamen die Meinungsforscher, die nach 2002 auch diesmal bewiesen haben, daß ihre Bedeutung hauptsächlich in der Wählerbeeinflußung liegt, und deren Prognosen den Mitleidseffekt für die SPÖ auch noch verstärkten.

Neben der Medienpräsens ist es unter anderen den Prognosen wohl auch zu verdanken, daß auch diesmal keine der bisherigen Nicht-Parlaments-Parteien den Einzug ins Parlament geschafft hat - denn wer will schon seine Stimme verschenken...

Immerhin entfielen 4,1% der gültigen Stimmen auf nicht im Nationalrat vertretene Listen. Das läßt hoffen, daß die Herrschaftslogik des Stimmenverschenkens immer weniger greift.

Vor Auszählung der Wahlkarten, die eventuell das BZÖ noch rauswerfen könnten, aber traditionellerweise kaum mehr als die Wanderung eines einzelnen Mandats bewirken, sieht man bei dieser Wahl zwei Sieger. Zum einen das nationale Lager der F-Zwillinge. Getrennt marschierend, gewann das Duo über 5 Prozentpunkte dazu. Sicher erschreckend, aber auch logisch, da beim Fehlen einer starken linken Protestkraft die "Modernisierungsverlierer" keine andere Möglichkeit sehen.

Der zweite Sieger dieser Wahl heißt - trotz 0,8-Prozentpunkten Verlust - SPÖ. Gusenbauer wird wohl den ersten Anspruch auf den Bundeskanzler stellen können. Denn dieses Ergebnis ist ja nicht neu: Die Sozis vor der ÖVP, die nationalistische Rechte stark, die Grünen viertstärkste Partei - sehr viele Unterschiede zum Wahlergebnis von 1995 gibt es nicht, außer daß die Freiheitlichen als verfeindete Zwillingsbrüder auftreten.

Damit sind eigentlich nur drei Koalitionsvarianten vorstellbar: Rot-Schwarz, Schwarz-Blau-Orange und vielleicht sogar Rot-Blau-Orange. Immerhin hat bereits zweimal in der 2.Republik die "freiheitliche" Rechte einen SP-Bundeskanzler kreiert. Dennoch erscheint das heute kaum wahrscheinlich. Daß Schüssel aus lauter Machtgier noch einmal mit den Flern - selbst in doppelter Ausführung - regieren will, bleibt vorstellbar. Wahrscheinlich aber ist eine große Koalition - ohne Schüssel. Denn ein Bundeskanzler begibt sich nicht mehr in die Vizekanzlerrolle - und ein Schüssel schon gar nicht.

Die SPÖ ist damit in einer wunderbaren Lage - nämlich der von 1995. Natürlich bleibt sie durch die ÖVP erpreßbar, die ja eine Koalitionsalternative hat, aber sie stellt den Kanzler und kann - auch gerade dank dieser Erpreßbarkeit - ihre ganzen Wahlversprechen vergessen, weil sie sich auf die ÖVP ausreden kann. Das heißt: Die Eurofighter werden gekauft und die Studiengebühren werden beibehalten.

Letztlich hat diese Regierung auch wieder eine Zweidrittel-Mehrheit und wird uns eine dementsprechende, derzeit ja in Verhandlung stehende Neufassung der Bundes-Verfassung aufs Auge drücken. Und als starke Opposition Westenthaler und Strache, die plötzlich erkennen werden, daß sie mehr verbindet als sie trennt, und daß sie gemeinsam wie weiland Haider die Großparteien "vor sich hertreiben" können.

Und das Volk darf wieso üblich die nächsten vier Jahre wieder schweigend alles hinnehmen. Willkommen zurück in der bleiernen Zeit.

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